Verlorene Engel by Frank Goldammer

Verlorene Engel by Frank Goldammer

Autor:Frank Goldammer [Goldammer, Frank]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalroman
ISBN: 9783423438346
Herausgeber: dtv


Dresden, 12. November 1956,

früher Vormittag

»Genosse Niesbach, glauben Sie, ein Sowjetsoldat ließe sich von einer Frau überwältigen? Noch dazu einer, dem eine derartige Gewalttätigkeit nachgesagt wird wie dem Usbeken?«, fragte Heller. Sie saßen zu dritt in Niesbachs Büro zur Lagebesprechung. »Und warum sollte er den Weg durch die ganze Stadt auf sich nehmen? Warum überfällt er keine Frau am Rand der Heide oder besser noch auf einem der Dörfer im Norden der Heide?«

»Mensch, mit einem Tritt in die Genitalien haust du auch einen Elefanten um«, mischte Oldenbusch sich ein. »Herumsprechen wird es sich so oder so, egal, was du jetzt sagst, Max. So wie sich das mit dem toten Russen auch wie ein Lauffeuer verbreitet hat!«

»Und nach dem, was Schellbach sagte, war der Weißrusse schon mehrere Tage tot, warum sollte der Usbeke noch im Wald sein? Ruinen gibt es noch genug, in denen er sich nachts verstecken kann«, nahm Niesbach den Faden auf.

Heller wollte das nicht einsehen. »Aber warum? Worauf soll er denn warten?«

»Er ist in einer aussichtslosen Lage! Das erklärt auch seine Handlungen. Ihn erwartet die Todesstrafe, was soll ihm noch Schlimmeres geschehen?«

»Das heißt doch jetzt aber, dass die Sowjets übernehmen? Sollen die jetzt mit Maschinenpistolen das Stadtviertel durchkämmen? Was macht das für einen Eindruck auf die Leute?«, fragte Heller.

Niesbach drehte die Handflächen nach oben. »Keiner kann sagen, wie sie entscheiden. Sie wollen den Mann festsetzen, doch sind sie sich durchaus bewusst, welchen Eindruck eine solche Aktion auf die deutsche Bevölkerung machen wird. Aber spekulieren wir nicht darüber. Nutzen wir die Zeit, um weiter zu ermitteln. Der Staatsanwalt will sich noch heute dazu äußern, wie mit Schreiber und Hübner verfahren werden soll.«

Heller hatte dazu eine klare Meinung. »Wie soll schon verfahren werden? Sie bleiben in Haft. Beide sind dringend tatverdächtig.«

»Wie verlief denn die Gegenüberstellung?«, fragte Niesbach.

Heller erwiderte nichts, denn er war sicher, Niesbach wusste es schon. Oldenbusch sprang ein, um das Schweigen nicht zu lang andauern zu lassen.

»Drei Frauen haben sich auf dem Präsidium gemeldet. Frau Quaiser, Frau Schlupp und Fräulein Walter. Die anderen Opfer sind nicht erschienen. Im Grunde verlief das Ganze ergebnislos. In seiner Maskierung ist Schreiber nicht zu erkennen.«

»Trotzdem soll er in Haft bleiben!«, hakte Heller ein. Dass Frau Wuttke nicht erschienen war und sich auch nicht dazu bewegen ließ, ärgerte ihn ganz besonders. Sie war mit dem Täter den weitesten Weg gelaufen und hätte Schreiber vielleicht sogar an seinem Gang erkennen können. Man müsste sie eigentlich zu einer Aussage zwingen. »Und rein theoretisch müsste Hübner nach Abschluss unserer Ermittlungen der westdeutschen Justiz ausgeliefert werden. Trotz der politischen Situation sollte doch trotzdem den Opfern solcher Verbrechen in beiden Ländern noch Gerechtigkeit widerfahren können.«

Niesbach nickte beschwichtigend. »Herr Oberkommissar, und das gilt natürlich auch für Sie, Genosse Oberkommissar.« Niesbach warf Oldenbusch einen bedeutsamen Blick zu. »Es ist eine streng vertrauliche Mitteilung, aber es wird in höheren Kreisen über eine Abschiebung Hübners in den Westen diskutiert.«

»Warum tut man es denn nicht einfach? Was soll das unserem Land schaden?«, warf Oldenbusch ein.

Niesbach seufzte und langte nach einer Schreibtischschublade. Er kramte eine Zeitung hervor und legte sie auf den Tisch.



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